Recht & Steuern
Beschlag­nah­me­ver­füg­ung für Wohn­raum für Flücht­linge rechts­widrig
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Akten

Die Beschlag­nahme ein­es pri­vat­en Grund­stücks zur Un­ter­bring­ung von Flücht­lin­gen oder Asyl­be­wer­bern auf Grund­la­ge der po­li­zei­recht­lich­en Ge­ne­ral­klau­sel ist nur als ul­ti­ma ra­tio - als letz­tes Mit­tel - mög­lich, welches im vor­lieg­en­den Be­schluss ver­neint wur­de.

Die 5. Kam­mer des Ver­walt­ungs­ge­richts Lü­ne­burg hat mit Be­schluss vom 09. Ok­to­ber 2015, Az. 5 B 98/15 dem Eil­an­trag des Ei­gen­tüm­ers ein­es Grund­stücks im Lü­ne­bur­ger Stadt­teil Wilsch­en­bruch ent­sprochen.

Auf dem Grund­stück be­fin­det sich ein be­reits ent­kern­tes Ge­bäu­de, in dem frü­her ein Kin­der- und Ju­gend­heim un­ter­ge­bracht war. Auf dem Grund­stück soll laut In­ves­tor ein neu­es Wohn­ge­biet ent­steh­en. Die Stadt Lü­ne­burg hat am 01. Ok­to­ber 2015 die Be­schlag­nah­me des Grund­stücks - be­fris­tet auf sechs Mon­ate - ver­fügt und an­ge­ord­net, dass der Ei­gen­tüm­er das Grund­stück bis zum 12. Ok­to­ber 2015 zu räu­men habe. Gleich­zeit­ig wur­de die Ein­weis­ung von 50 Flücht­lin­gen in das Ge­bäu­de ver­fügt und eine Ent­schä­dig­ung fest­ge­setzt.

Die 5. Kam­mer hat dem hier­ge­gen ge­richt­et­en An­trag auf einst­weil­igen Rechts­schutz statt­ge­geb­en: Die Vor­aus­setz­ung­en ein­er Be­schlag­nah­me nach Po­li­zei­recht sei­en nicht ge­ge­ben. Droh­en­de Ob­dach­lo­sig­keit stelle zwar eine Ge­fahr für die öff­ent­liche Sich­er­heit dar. Der Ei­gen­tüm­er als nicht­ver­ant­wort­lich­er Drit­ter kön­ne aber nur un­ter den en­gen Vor­aus­setz­ung­en des sog. po­li­zei­lich­en Not­stan­ds und als "letz­tes Mit­tel" in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Die Be­schlag­nah­me stel­le ein­en er­heb­lich­en Ein­griff in das Grund­recht auf Ei­gen­tum ge­mäß Ar­ti­kel 14 Abs. 1 Grund­ge­setz dar. Sie set­ze vor­aus, dass die Stadt die droh­en­de Ob­dach­lo­sig­keit von Flücht­lin­gen nicht recht­zeit­ig selbst oder durch Be­auf­trag­te ab­weh­ren kön­ne. Vor der In­an­spruch­nah­me des Ei­gen­tums un­be­teil­ig­ter Drit­ter sei die Stadt da­her ge­hal­ten, alle ei­gen­en Un­ter­bring­ungs­mög­lich­kei­ten aus­zu­schöp­fen und ggfs. Räum­lich­kei­ten - auch in Be­her­ber­gungs­be­trie­ben - an­zu­miet­en, auch wenn letz­ter­es kos­ten­in­ten­siv sein mö­ge.

Der Kam­mer sei be­wusst, dass die Un­ter­bring­ung der der­zeit hoh­en Zahl von Flücht­lin­gen ei­ne gro­ße Her­aus­for­der­ung an alle Kom­mun­en dar­stel­le und die Be­müh­ung­en der Stadt Lü­ne­burg mit dem von ihr er­ar­beit­et­en Kon­zept der de­zen­tra­len Un­ter­bring­ung von Flücht­lin­gen ein­en wich­ti­gen As­pekt für ei­ne dau­er­haf­te und zu­frie­den­stel­len­de Ver­sorg­ung der Flücht­lin­ge dar­stelle. Da­bei sei auch nicht zu be­an­stan­den, dass ei­ne Un­ter­bring­ung in Turn­hal­len und Kleinst­un­ter­künf­ten mög­lichst ver­mie­den wer­den solle. Den­noch ob­lie­ge die Ge­währ­ung sozialer Für­sor­ge pri­mär der All­ge­mein­heit - und da­mit der Stadt Lü­ne­burg - und dür­fe nur als letz­tes Mit­tel auf eine Pri­vat­per­son ab­ge­wälzt wer­den.

Hier­von aus­geh­end ha­be die Stadt Lü­n­eburg nicht hin­reich­end dar­ge­legt, dass alle an­der­en Mög­lich­keit­en der Un­ter­bring­ung aus­ge­schöpft wor­den sind. Die Stadt hät­te ins­be­son­de­re prüf­en müs­sen, ob Un­ter­bring­ungs­mög­lich­kei­ten in der Lü­ne­bur­ger Ju­gend­her­ber­ge (148 Bet­ten) zur Ver­füg­ung steh­en und die­se oder Fe­ri­en­wohn­ung­en und Ho­tel­zim­mer an­miet­en müs­sen. Wirt­schaft­liche Ge­sichts­punk­te dürf­ten bei der In­an­spruch­nah­me kei­ne we­sent­liche Rol­le spie­len. Der Be­schluss ist noch nicht rechts­kräf­tig.

Alex­an­der Bla­žek
Landes­vor­sitz­en­der